Die Farblosigkeit der Perfektion: 🎭🎨 5 Tipps

Stell dir vor, du triffst jemanden, der in jeder Hinsicht makellos ist: immer freundlich, immer kompetent, immer die richtigen Worte findend, ohne jegliche Schwächen oder Unsicherheiten. Im echten Leben würden wir so jemanden wahrscheinlich mit Misstrauen beäugen. Warum sollte das in der Fiktion anders sein?

Warum also sollte uns in der Welt der Geschichten anders sein? Ist es nicht gerade der Riss in der perfekten Fassade, der einen Charakter menschlich, nachvollziehbar und letztendlich fesselnd macht? Die kleinen Fehler, die Unsicherheiten, die Momente der Schwäche – sind sie nicht das Salz in der Suppe jeder guten Erzählung? Ein makelloser Charakter wirkt schnell wie eine leere Hülle, ein perfekt programmierter Automat ohne innere Tiefe. Er fordert uns nicht heraus, wir können uns nicht mit ihm identifizieren, und seine vermeintliche Vollkommenheit erzeugt eher Distanz als Nähe.

Perfekte Charaktere, oft als „Mary Sue“ (weiblich) oder „Gary Stu“ (männlich) bezeichnet, sind literarische Figuren, denen es an glaubhaften Fehlern und Schwächen mangelt. Und was kann es Schlimmeres geben als gähnende Langeweile in deinem Roman?

Also, wie gibst du deinen Charakteren schnell mehr Farbe? Hier sind meine 5 Schreibtipps!

1. Hauche deinen Charakteren Leben ein

Vergiss die glatten, fehlerfreien Superhelden des Alltags. Deine Figuren brauchen Ecken und Kanten, die sie greifbar und nachvollziehbar machen. Denk an subtile Ticks – das unaufhörliche Spielen mit einem Ring, das Stottern unter Stress, die Angewohnheit, bei Nervosität an den Lippen zu kauen. Oder vielleicht exzentrische Eigenheiten: eine obsessive Liebe zu Briefmarken, das Sammeln skurriler Hüte, die Angewohnheit, Selbstgespräche zu führen. Erinnerst du dich an die Romanheldin aus „Milchmann“ von Anna Burns, die lesend spazierengeht? Ich werde sie nie vergessen …

Tauche tiefer in ihre Innenwelt ein. Welche Ängste plagen sie nachts? Welche Unsicherheiten nagen an ihrem Selbstbild? Welche Sorgen drücken sie nieder? Vielleicht verbergen sie tiefe Verletzlichkeiten hinter einer Fassade der Stärke oder versuchen verzweifelt, ein traumatisches Erlebnis zu verdrängen. Zeige ihre inneren Kämpfe, die Zerrissenheit zwischen Wunsch und Realität. Das macht sie nicht schwach, sondern menschlich – und damit umso stärker in den Augen deiner Leserschaft.

  • Entfache das Feuer in deinen Charakteren

Eine Figur ohne brennendes Verlangen ist wie ein Schiff ohne Wind. Was treibt deine Charaktere an? Ist es eine unstillbare Sehnsucht nach Liebe, ein unerbittlicher Ehrgeiz, ein idealistischer Kampf für Gerechtigkeit, eine obsessive Suche nach einem verlorenen Artefakt oder vielleicht eine dunkle Rachebesessenheit?

Diese Leidenschaft muss nicht immer edel sein. Auch ein ungesundes Verlangen, eine verbissene Sucht oder ein destruktiver Trieb können eine Figur faszinierend machen – solange du die Wurzeln und Konsequenzen dieses Feuers erkundest. Zeige, wie diese Leidenschaft ihr Handeln bestimmt, ihre Entscheidungen beeinflusst und sie vielleicht sogar in Konflikt mit sich selbst und anderen bringt.

  • Zeige ihre Emotionen

Sie war „stinkwütend“ ist eine Feststellung, „ihre Zähne waren aufeinandergepresst, ihre Augen glitzerten düster“ ist eine Erfahrung. Beschreibe nicht einfach die Emotionen deiner Figuren, sondern lass sie durch ihr Verhalten, ihre Körpersprache, ihre Mimik und ihre Reaktionen auf ihre Umwelt sichtbar werden.

Zeige zitternde Hände, einen stockenden Atem, gerötete Wangen, einen sehnsüchtigen Blick, ein unkontrolliertes Lächeln oder gefrierende Stille. Lass deine Leser die Emotionen deiner Figuren fühlen. Nutze Dialoge, innere Monologe und die Interaktion mit anderen Charakteren, um die emotionale Landschaft deiner Geschichte lebendig werden zu lassen.

  • Provoziere deine Leser*innen auch einmal!

Perfektion ist langweilig, moralische Eindeutigkeit oft vorhersehbar. Scheue dich nicht, die Grauzonen der menschlichen Natur zu erkunden. Lass deine Helden fragwürdige Entscheidungen treffen. Konfrontiere deine Leser mit Charakteren, deren Motive ambivalent sind oder die von traumatischen Erfahrungen gezeichnet sind und dadurch unkonventionelle Wege gehen.

Vielleicht hat dein idealistischer Protagonist eine dunkle Vergangenheit, die ihn einholt. Vielleicht verfolgt deine scheinbar arrogante Antagonistin ein nachvollziehbares Ziel, das ihre Taten in einem neuen Licht erscheinen lässt. Diese Komplexität macht deine Figuren glaubwürdiger und regt Nachdenken an. Sie fordern unsere moralischen Vorstellungen heraus und bleiben dadurch länger im Gedächtnis.

  • Fordere deine Figur heraus

Was wir im Alltag dringlichst suchen, ist in der Fiktion ein Todesurteil für deine Geschichte. Leser lieben Drama! Ein Leben ohne Hindernisse ist eine Geschichte ohne Spannung. Wir wollen sehen, wie sich deine Figuren unter Druck bewähren, wie sie mit Widrigkeiten kämpfen, wie sie Rückschläge einstecken und wieder aufstehen (oder daran zerbrechen).

Wirf ihnen Steine in den Weg: innere oder zwischenmenschliche Konflikte, äußere Bedrohungen oder Katastrophen). Fordere ihre emotionalen Grenzen heraus. Zeige, wie sie sich verändern und entwickeln, wenn sie mit unerwarteten Situationen konfrontiert werden. Der Kampf macht ihre Triumphe bedeutsamer und ihre Niederlagen nur umso ergreifender.

Das Resultat? Deine Charaktere bekommen Farben und werden vor unseren Augen lebendig!


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